Geschäftsprozesse im Unternehmen

 

 

 

 

 

Dr. Robert Freidinger

 

 

Version IBA 2004 A/B

5. Semester 2006/07

17.12.2006

 

 

 

 

 

 

Bitte beachten:

Dieses Textmanuskript ergänzt wie abgesprochen den in der Vorlesung behandelten Stoff. In der Klausur können alle Themen behandelt werden, welche wir in der Vorlesung durchgesprochen haben – gleichgültig, ob sie in diesem Textmanuskript enthalten sind oder nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Robert Freidinger

Ginsterweg 10

71263 Weil der Stadt

07033 34448

Robert@freidinger.de

Robert.Freidinger@alcatel-lucent.com


Geschäftsprozesse im Unternehmen

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

0     Einleitung. 1

1     Prozess und Funktion im Unternehmen. 1

1.1       Abläufe wirken funktionsübergreifend. 2

1.2       Rolle der Funktion im Unternehmen. 4

1.3       Der Prozess im Unternehmen. 4

1.4       Der Begriff des Prozesses. 5

2     Wertschöpfung. 6

3     Messmethoden für Geschäftsprozesse. 9

3.1       Messgrößen von Prozessen und Kennzahlensysteme. 9

3.2       Benchmarking. 11

3.3       Prozesskostenrechnung. 12

3.4       Balanced Score Card als Indikator der Prozessleistung. 15

3.5       Ermittlung der Prozessleistungsfähigkeit und des Prozessreifegrades. 17

3.6       Fehlermöglichkeits- und –einflussanalyse in Prozessen. 20

4     Gestalten und Managen von Geschäftsprozessen. 22

4.1       Erkennen und Identifizieren von Prozessen. 23

4.2       Vorgehen zum Design von Prozessen. 24

4.3       Ausrichten von Prozessen auf den Kunden. 25

4.4       Einrichten und Optimieren des Managementsystems nach ISO 9001:2000. 27

5     Optimieren von Geschäftsprozessen. 30

6     Prozessorganisation und Prozessmanagement 34

7     Literaturverzeichnis. 38

 

 

 

Autor: Dr. Robert Freidinger, Ginsterweg 10, 71263 Weil der Stadt

Tel. privat 07033-34448

Fax 07033-33792

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0         Einleitung

 

Warum gibt es so viele Ansätze, sich auf die Geschäftsprozesse zu konzentrie­ren und diese zu verbessern? Wie funktionieren eigentlich Prozesse oder Abläufe im Unternehmen? Gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Groß-, Mittel-, Klein- und Kleinstunternehmen?

 

Je größer ein Unternehmen, desto stärker ist es in Funktionen gegliedert. Umso schwerer können Prozesse identifiziert und gesteuert werden. Umso schwieriger ist Kundenorientierung durchzusetzen. Zur Optimierung und Neugestaltung ihrer Prozesse nutzen deshalb große Unternehmen häufig radikale Methoden, um Kurskorrekturen zu erreichen, obwohl sanfte Prozessentwicklungen besser geeignet wären. Kleine und mittlere Unternehmen nutzen meist – je nach Temperament der Firmeneigner – die sanften Methoden unter Einbeziehung der Mitarbeiter.

 

Da die Leistungserbringung für den Kunden (Geldquelle) im Unternehmen in Prozessen (Abläufen) erfolgt, ist die Betrachtung der eigenen Prozesswelt unerlässlich – unabhängig von der Größe. Für produzierende Unternehmen ist dies bereits relativ geläufig, Dienstleistungsunternehmen haben hier noch stärkeren Nachholbedarf.

 

Eine Ausnahme stellen sehr kleine Unternehmungen dar. Teams von wenigen Kollegen können ganz ohne definierte Prozesse auskommen, sofern die interne Kommunikation und die laufende fundierte Kenntnis dessen, was die anderen Teammitglieder machen, hervorragend funktioniert.

1         Prozess und Funktion im Unternehmen

 

Die Kräfte des Marktes zwingen die Unternehmen zu

·  ganzheitlicher Betrachtung aller Vorgänge, welche die Kundenbeziehung berühren

·  ausgeprägter Kundenorientierung auf allen Ebenen

·  Überwindung von Abteilungs- und Funktionsegoismen

·  Anordnung aller Vorgänge zu Prozessen, nicht zu Abteilungsfunktionen

·  laufender Optimierung der kundenbezogenen Prozesse.

 

Fokussiert werden muss:

·  auf  Aktivitäten und Prozesse mit Wertschöpfung. Nur diese fördern die Kundenbeziehung

·  auf den Kunden, da dieser die einzige Geldquelle für das Unternehmen bildet­

·  auf Aktivitäten mit Wertschöpfung - diese müssen optimiert werden

·  auf Aktivitäten ohne Wertschöpfung - diese müssen eliminiert werden

·  auf Prozesse - diese müssen messbar gemacht werden. Nur Prozesse, die messbar sind, können gesteuert und optimiert werden

·  auf Messgrößen als Ansätze für Korrekturmaßnahmen. Die Messgrößen müssen Kun­denbezug haben

·  auf interne Kunde-Kunde Beziehungen. Diese müssen als Wertmaßstab für die Zusam­menarbeit von Abteilungen / Funktionen genommen werden

·  auf Geschäftsprozesse und Wertschöpfung gleichermaßen.

 

In diesem Zusammenhang ist auf die verschiedenen Arten von Kunden hinzuweisen. Jeder Prozess hat Prozess- und Systemkunden. Prozesskunde ist jeder Kunde, der eine Leistung aus dem Prozess bezieht. Systemkunde ist der Kunde, für den der Prozess eigentlich etabliert wurde, um eine Leistung bereitzustellen. Beispiel Zahnarzt: Prozesskunde ist der (Kassen-) Patient, welcher eine Leistung an seinen Zähnen erhält. Systemkunde ist die Krankenkasse, welche die Leistung des Zahnarztes bei Kassenpatienten vergütet. Typischerweise erfährt der Prozesskunde in diesem Beispiel nicht, wie der Systemkunde den Zahnarzt vergütet – welche Leistungen mit welchen Beträgen vergütet werden. Hier ist sicherlich noch Verbesserungspotenzial.

1.1       Abläufe wirken funktionsübergreifend

 

In dieser Vorlesung werden wir Aktivitäten zu Prozessen sortieren. Wir werden feststellen, dass die traditionellen Organisationen die vertikale Optimierung von Abteilungen oder Funk­tionen stark fördern, eine horizontale Optimierung dagegen hindern. Unternehmen, welche unter dem Druck des Marktes und der Konkurrenz heute kundenorientiert handeln möchten, müssen sich prozessoptimiert aufstellen und dabei innere Abteilungsgrenzen überwinden und die bisher eta­blierten inneren Strukturen z.T. drastisch ändern. Dies führt zu bisher unge­wohnten Be­trachtungsweisen und kann sogar zu Um­strukturierungen im Unternehmen und zu neuen Managementtechniken führen. Dieser Wandel geht einher mit der Wiedereinführung von Teamarbeit und/oder der Übergabe von Verantwortung an die Arbeitsebene. Die zwangsläufigen Vorteile, welche kleine Unter­nehmen hier haben, zwingen die großen Konzerne zum Umdenken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


1.2       Rolle der Funktion im Unternehmen

 

Unternehmen sind heute meist funktional aufgebaut. Unternehmen sind organisiert, um in Funktionen zu arbeiten und um Funktionen zu optimieren. Die Arbeit der Funktionen ist in Funktionsbeschreibungen exakt dargelegt. Die Arbeitsanforderungen und -vorgänge sind in den Arbeitsplatzbeschreibungen zu jeder Tätigkeit in der Funktion genau erläutert. Die Orga­nisation ist transparent. Jeder Beteiligte findet sich in genau beschriebener absoluter und rela­tiver Position wieder. Die Berichtslinien sind klar und eindeutig. Jeder hat nur einen direkten Chef. Die Arbeitsstrukturen sind einfach.

 

Im Gegensatz zu Prozesskosten können die von einer Funktion direkt erzeugten Kosten im Unternehmen relativ leicht ermittelt werden, da dies durch Kostenstellen belegt ist.

 

Funktionen sind wichtig als Basis des Expertenwissens und der Know-hows, als Kompetenzzentrum sowie als Ressource. Sie stellen die Expertise, fördern diese und entwickeln sie weiter.

 

In funktional orientierten Unternehmen ist jeder in Arbeitsvorgänge eingebunden. Diese Vorgänge sind als Geschäftsprozesse funktionsübergreifend. Es ist schwierig, Verantwortung eindeutig zuzuordnen. Im Falle des Misserfolgs ist keiner ver­antwortlich, da immer mehrere Abteilungen – wenn auch in unterschiedlichem Maße - zusammen agieren und voneinander abhängig sind.

 

Diese Fokussierung auf die Funktionen kann dazu führen, dass Prozesse fragmentiert sind und für Mitarbeiter unsichtbar. Prozessmanagement findet nicht statt.­ Die Prozessqualität ist nicht sicht­bar und nicht messbar. Anreizsysteme für Mitarbeiter sind ebenfalls funktionsorien­tiert und damit im Sinne von Prozessmanagement kontraproduktiv. Die funktionale Ausrich­tung führt zu strenger Trennung von Planen, Steuern und Regeln und Kontrollieren einerseits  sowie Durchführen andererseits. Wei­tere Folgen sind unintelligente Pro­zesse (nicht lernfä­hig) und Aufblähung der Hierarchie, da immer mehr kontrolliert werden muss. Weiterhin erzeugt dies Demotivie­rung auf Durchführungsebene.

 

Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr ist es - falls traditionell aufgebaut - funktional ge­gliedert. Desto schwieriger ist die Prozessgestaltung.

1.3       Der Prozess im Unternehmen

 

Die Erbringung der Lieferungen und Leistungen in Unternehmen erfolgt in Prozessen. In den Prozessen sind die einzelnen Funktionen des Unternehmens als Leistungsbereiche beteiligt. Für die Optimierung der Leistungserbringung sind die Prozesse zu betrachten. Opti­mierung von Funktionen führt nicht zum Ziel.

 

Unternehmen sind auf­grund ihrer streng funktionalen Orientierung heute normalerweise nicht organisiert, um Pro­zesse zu optimie­ren. Der kritische Pfad enthält viele beteiligte Funk­tionen, wel­che um gleiche Ressourcen kon­kurrieren und im internen Wettbewerb stehen.

 

Die Kosten von Prozessen können in heutigen Unternehmen normalerweise überhaupt nicht angegeben werden. Der ökonomische Effekt eines Prozesses ist nicht sichtbar. Änderungen können somit nur schwer begründet werden. Der Kostennutzen ist nicht einfach ermittelbar. Auf die Prozesskostenrech­nung als Mög­lichkeit der Kostenermittlung und -verfolgung in Prozessen wird in einem spä­teren Kapitel detailliert eingegangen.

Der Kunde bekommt die bestellten Leistungen – Güter oder Dienste – als Ergebnis der Geschäftsprozesse. Zur Steigerung der Kundenzufriedenheit müssen die Prozesse betrachtet und optimiert werden.

1.4       Der Begriff des Prozesses

 

Das Wort bzw. der Wortstamm des Begriffs „Prozess“ stammt aus dem Lateinischen von „procedere = vorangehen, vorgehen“. Aufbauend auf diesem Wortstamm haben sich die un­terschiedlichen Bedeutungen und Definitionen von Prozessen, je nach spezifischer Sichtweise und Anwendungszweck, entwickelt.

 

Unsere Prozessdefinition lautet:

 

"Jedes Unternehmen ist eine Ansammlung von Tätigkeiten, durch die sein Produkt entworfen, hergestellt, vertrieben, ausgeliefert und unterstützt wird. Alle diese Tätigkei­ten lassen sich in einer Wertkette darstellen. Jede Wertaktivität setzt... jeweils gekauf­te Inputs, menschliche Ressourcen sowie Technologien in irgendeiner Form ein.“ [Por­ter]

 


2         Wertschöpfung

 

Der Begriff der Wertschöpfung kommt aus der Volkswirtschaftslehre (Mikroökonomie). Im Mittelpunkt der klassischen Wertlehre stand der objektive Wert der Ware und zwar der Tauschwert. In der modernen Theorie steht jedoch der subjektive Gebrauchswert der Ware im Mittelpunkt. Dieser subjektive Wert zielt auf die Bedeutung des Gutes für die Bedürfnisbefriedigung des Nutzenden. Somit ist die Wertschöpfung immer am Kunden ausgerichtet.

 

Als Wertschöpfung wird in einer Volkswirtschaft die in einer Periode herstellten Waren und Leistungen angesehen. Die Wertschöpfung wird in der VGR (Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) als Brutto-Wertschöpfung errechnet aus der Differenz von Produktionswert und Vorleistungen. Zieht man hiervon die Einfuhrabgaben ab, so erhält man das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, dieses vermindert um die Abschreibungen ergibt das Nettoinlandprodukt zu Marktpreisen. Zieht man hiervon wiederum die indirekten Steuern ab und rechnet die Subventionen hinzu, so erhält man die Netto-Wertschöpfung (Nettoinlandprodukt zu Faktorkosten).

 

Analog kann im Unternehmen die Wertsteigerung gesehen werden. Wertsteigerungsmanagement ist dann die Maximierung der Rückflüsse des Kapitals und der Ressourcen bei möglichst geringem Ressourceneinsatz.

 

 

 

In verschiedenen Unternehmen werden zwar unterschiedliche Waren erzeugt oder unterschied­liche Dienstleistungen erbracht, die grundlegenden Prozesse (z. B. Auftragsannahme, Rechnungsstellung) sind jedoch identisch bzw. minde­stens stark ähnlich.

 

Was braucht ein Haushaltsgerätehersteller, um eine Bestellung anzunehmen, die Bestellung zu bearbeiten, das Gerät herzustellen, es auszuliefern und die Rechnung zu stellen? Welche Schritte muss eine Bank vollziehen, wenn sie Transaktio­nen abwickelt, Filialen koordiniert und Kreditentscheidungen rechtzeitig und korrekt trifft? Wie konstruiert ein Automobilhersteller ein neues Fahrzeug, das aus Tausenden von Bauteilen be­steht, wie handhabt er den täglichen Strom von Bestellungen und Lieferungen mit Lieferanten und Montagewerken? Jede Geschäftstätigkeit sieht anders aus, doch eines haben alle gemein­sam: alle sind Systeme, die ihren Kunden Wert liefern ‑ "Wertschöpfungssysteme". Innerhalb der Wertschöpfungssysteme werden Produkte und Leistungen in Wertschöpfungsketten erzeugt. Grundlage der Wertschöpfungskette ist, auf welchem Weg und mit welchen Aktivitäten ein Produkt erzeugt wird.

 

Ein Unternehmen wird dabei als Ansammlung von Tätigkeiten gesehen. Alle zusammen, vom Produktdesign über die Herstellung und den Vertrieb stellen in ihrer Summe die Wertkette des Unternehmens dar. Nach außen hin ist diese Unternehmenswertkette eingebunden in die Wert­ketten von Lieferanten, Vertriebskanälen und Kunden.

 

Unterschieden wird in primäre und unterstützende Aktivitäten in den Prozessen, in welchen die Wertschöpfung erfolgt. Primäre oder unmittelbare wertschöpfende Aktivitäten befassen sich mit der physischen Herstellung eines Produkts und dessen Verkauf bzw. Distribution an den Kunden. Ebenso ist der Kundendienst inbegriffen. Unterstützende Aktivitäten befassen sich nicht direkt mit der Herstellung des Produkts oder der Dienstleistung. Ihre Aufgabe ist es, die primären Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Sie sind verantwortlich für die Beschaffung von Inputs, Tech­nologien, Human Resources etc. Unterstützende Aktivitäten sind deshalb mittel­bar wertschöpfend. Beispiele dafür sind: Beschaffungs-, Konstruktions-, Arbeitsvorbereitungs-, Produktionsplanungs- und -steuerungs- sowie Entwicklungsprozesse.

 

 

 

Nichtwertschöpfende Prozesse sind möglicherweise zur Aufrechterhaltung des Be­triebsge­schehens notwendig, haben jedoch keinen direkten Produkt- und Kundenzusammenhang. Sie haben keinen erkennbaren Nutzen für den Kunden. Dies umfasst alle Aktivitäten der Unter­nehmensinfrastruktur sowie Prozessteile wie Lagerung, Vorbereitung, Liegen, Warten, Trans­port, Kontrolle, Inspektion. Letztere müssen soweit wie möglich reduziert werden, da sie aus­schließlich kostentreibend wirken und die Befriedigung der Kundenbedürfnisse hemmen.

 

Unmittelbar (primär) wertschöpfende Prozesse sind z.B.

·  Entwicklung eines kundenspezifischen Produkts

·  Herstellung einer Ware

·  Erbringung einer Dienstleistung

 

Mittelbar (sekundär) wertschöpfende Prozesse sind z.B.

·  administrative Prozesse mit Kundenbezug

·  Angebotserstellung

·  Produktentwicklung, falls nicht kundenspezifisch

·  Zollabfertigung im Auftrag des Kunden

 

Nicht wertschöpfende Prozesse bzw. Aktivitäten können z.B. sein

·  administrative Vorgänge ohne Kundenbezug

·  Buchführung, Werkschutz, Kantine (Wie wichtig sind die Mitarbeiter?)

·  Planung ohne Bezug zum Produkt / Kunden

·  Warte-, Liege- und Transportzeiten

·  Ausschuss und Nacharbeit.

 

Der Kunde honoriert nur die direkt wertschöpfenden Anteile an einem Produktrealisierungsprozess. Die nichtwertschöpfenden Anteile werden sogar als negativ gesehen (Zeitverzögerung, Rück­fragen = Belästigungen). Diese Sicht kann für Prozesskunden und Systemkunden durchaus unterschiedlich sein.

 

Die hier getroffene Einteilung in mittelbar und nicht wertschöpfende Prozesse bzw. Aktivitäten ist sehr krass und nicht immer eindeutig. Zur Beurteilung des Kundennutzens einer Aktivität eignet sich deshalb die Analyse des Wertschöpfungspotenzials einer Aktivität im Prozess unter Betrachtung des Kundennutzens. Unterschieden wird dabei zwischen externen Kunden (=Geldquelle) und internem Kunden (=Kostenfaktor) für das Unternehmen. Dazu muss natürlich der Prozess bekannt sein, es müssen alle Aktivitäten ermittelt und die Kunden (intern/extern) für jede Aktivität klar identifiziert sein.

 

Unter Wertschöpfung wird der Wertunterschied verstanden, welchen ein Produkt oder eine Dienst­leistung im Unternehmen bekommt. Wie oben ausgeführt, ist hier die Kundensicht für den subjektiven Wert von Bedeutung. In der Produktion ist die Generierung von Wert auf die Herstellkosten bezogen, dies ist strikter Gegensatz zur Kundenorientierung. Grund­lage ist die Bewertung der eingekauften Rohmaterialien oder -leistungen. Diese werden im Unternehmen veredelt. Das fertige Produkt bzw. die fertige Dienst­leistung muss sich im Wert aus Sicht des Kunden von den Roh­materialwerten deutlich unterscheiden. Für diese Differenz ist der Kunde bereit, einen Preis zu bezahlen. Dabei gilt ausschließlich die Bewertung des Kunden. Die firmeninterne Bewertung der Herstellkosten ist dabei unerheblich.

 

3         Messmethoden für Geschäftsprozesse

3.1       Messgrößen von Prozessen und Kennzahlensysteme

 

Warum sollen wir Prozesse messen?

·  Wenn wir eine Sache nicht in Zahlen ausdrücken können, wissen wir nicht genug darü­ber.

·  Wenn wir nicht genug über eine Sache wissen, können wir diese nicht steuern.

·  Wenn wir etwas nicht steuern können, sind wir dem Zufall und den Wechselfällen des Lebens ausgeliefert.

 

Die messtechnische Erfassung von Prozessen erfolgt in Key Performance Indicators KPI's als Prozessmessgrößen. Dies können z.B. sein:

·  Durchlaufzeit (Lead Time)

·  Vollständigkeitsgrad bei Lieferung

·  Lagerumschlagshäufigkeit (Gross Inventory Turns)

·  Erreichte Preissenkung bei Einkaufsverhandlungen

·  Lieferzeitprofil (Verteilung der Lieferzeiten über ein Produktspektrum)

·  Forecast Accuracy

·  Anzahl Neuteile im Verhältnis zu allen Teilen

·  Durchschnittlicher Auftragswert (pro Vorgang, pro Mitarbeiter, etc.).

·  Anzahl Schulungstage pro Mitarbeiter,

·  etc.

 

Diese KPIs ergeben eine Aussage über die unternehmensinterne Leistungsfähigkeit. Die ex­terne Wirkung auf den Kunden wird in Customer Satisfaction Indices CSI's erfasst. Beispiele für CSIs sind:

·  Anteil Lieferungen zum Kundenwunschtermin

·  Reaktionszeit auf Anfragen

·  Erreichbarkeit Hot Line.

·  On Time Delivery

·  Reklamationsrate

·  Q-Index (Beanstandungsrate)

·  Zulieferzufriedenheit.

 

 

Anforderungen an die Prozessmessgrößen sind

·  sie müssen die Prozessperformance widerspiegeln und eine Indikator für die Prozessleistung sein. Leistungsgrößen sind besser als Aufwandsgrößen.

·  sie müssen den Prozess darstellen und möglichst Kundenbezug haben.

·  sie müssen die Prozesssteuerung erlauben. Sie sind das Steuerungsinstrument des Process Owners für seinen Prozess.

·  sie müssen eindeutig definiert und vereinbart sein.

·  sie sollten eine Aussage über die Prozessstabilität erlauben.

·  sie sollten mit den Customer Satisfaction Indicators CSIs verknüpft werden können.

·  sie sollten ohne Manipulationsmöglichkeit einfach und automatisch aus den EDV-Systemen ermittelbar sein.

 

Zur Messtechnik gehört ein Regelkreis.

 

Prozesskennzahlen müssen den Prozess wiedergeben. Deshalb entwickeln sie sich am Besten aus Größen wie Zeit, Menge und/oder Wert und Kosten oder Leistung. Es sind auch Kombinationen möglich.

 

 

 

3.2       Benchmarking

 

Benchmarking ist in der Computerindustrie verwurzelt und wird dort eingesetzt, um in Aufbau, Ausstattung, Technik, Speicherausbau, Betriebssystemen, Bussystemen etc. sehr unter­schiedliche Computer hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu vergleichen. Die einzelnen Computer sind dabei in den einzelnen Komponenten sehr unterschiedlich und aufgrund ihrer Komplexität sowie im Zusammenwirken der einzelnen Komponenten nicht direkt vergleichbar. Ziel ist es, die Performance des Gesamtsystems anhand von einzelnen Kenngrößen zu bewerten, welche mög­lichst den Kundennutzen abbilden sollen.

 

Aus dem konventionellen Benchmarking wurde zur Beurteilung der Prozessqualität und -leistung das Process Benchmarking entwickelt. Benchmarking wird vor allem in der Software- und Hardwareentwicklung zur Positionierung des eigenen Unternehmens relativ zu den besten der eigenen oder fremden Branche anhand kritischer Erfolgskennzahlen genutzt. Diese Betriebsvergleiche zeigen die Leistungsfähigkeit bzw. Position in Relation zur Konkurrenz.

 

Benchmarking ist hier der

·         kontinuierliche Vergleich von Produkten, Leistungen sowie Prozessen und Methoden mit einem oder anderen Unternehmen (oder anderen Bereichen im eigenen Unternehmen bzw. Konzern)

·         mit dem Ziel, die Leistungslücke zu den Klassenbesten (Best in Class) systematisch zu schließen und

·         um die Verbesserungspotenziale zu identifizieren.

 

Anhand von Kennzahlen wie Zeitdauer, Liefertreue, Erfüllungsgrad etc. können Prozesse einem Ranking unterzogen werden. Es ist möglich, auf den ersten Blick grundverschiedene, nicht vergleichbare unternehmensspezifische Prozesse in ihre Aktivitäten und Teilprozesse zu zerlegen und auf dieser Basis Vergleiche zwischen Unternehmen aus gänzlich unter­schiedlichen Branchen zu erlangen. Grundgedanke: Lokalisieren der Teilprozesse und Aktivitäten, welche das größte Potential zur Verbesserung aufweisen.

 

Die Anwendung dieser Methodik auf die Beurteilung von Prozessen wird die Gesamtperformance des Unternehmens gemessen. Da die direkt ermittelten Werte des Unternehmens zwar interessant sind, jedoch keine Wertung im Wettbewerb ergeben, werden die Benchmarking Daten des Unternehmens mit anderen Unternehmen verglichen. Diese Unternehmen sollten zweckmäßiger­weise im direkten Wettbewerb stehen und möglichst aus der gleichen Branche kommen.

 

Als Ergebnis ergibt sich eine Bewertung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens bzw. des betrachteten Prozesses als absolute Zahl in den relevanten Prozessparametern. Weiterhin wird die relative Position zu den berücksichtigten Wettbewerbern dargestellt:

 

besser <--> gleichwertig <--> schlechter.

 

Darüber hinaus werden die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens bzw. der betrachteten Prozesse im Vergleich zu den Konkurrenten aufgezeigt. Daraus ergeben sich sofort Ansatzpunkte für Prozessverbesserungen.


3.3       Prozesskostenrechnung

 

Die traditionelle Kostenrechnung baut auf technisierbaren Vorgängen in der Fertigung auf. Betrachtet werden Effizienz der Fertigungsressourcen, Beurteilung relevanter Mengengerüste durch Fertigungsplanung und Fertigungsnachkalkulation, etc. Vergessen wird dabei, dass seit Einführung beispielsweise der Grenzplankostenrechnung vor gut 40 Jahren die Gemeinkosten um mehr als 100 % auf nunmehr 70 % der Gesamtunternehmenskosten (Industriedurchschnitt) oder sogar noch höher gestiegen sind. Die klassische Zuschlagskalkulation mit Herstellkosten plus Gemeinkostenzuschlag wird damit diesem Sachverhalt nicht mehr gerecht. Hier bietet die Prozesskostenrechnung einen besseren Ansatz. Problematisch ist, dass die klassische Kostenrechnung in den vergangenen Jahrzehnten bewährte EDV-Systeme und –Unterstützung aufgebaut hat. Die Prozesskostenrechnung hat dieses nicht. Sie verlangt darüber hinaus weitere Systemunterstützung, die für längere Zeit sicherlich parallel zur bestehenden Kostenrechnung aufgewendet werden müssen.

 

Heute sind die Kostenrechnungsinformationen in der Praxis bei weitem nicht so aussagefähig, wie es die betriebswirtschaftliche Literatur darstellt. Die Entscheidung über Fremdbezug anstelle Eigenfertigung, Hereinnahme und Ablehnung eines Zusatzauftrages etc., ist von einer Vielzahl von Umfeldbedingungen abhängig. Diese werden in der Kostenrechnung nicht einmal im Ansatz aufgezeigt. Außerdem wirken diese spezifischen Einzelfall jeweils sehr unterschiedlich. Lieferantenqualität, Know-how Abhängigkeit, langfristige Interdependenzen des Marktes etc. sind hierbei in der Regel wesentlich höher zu bewerten. Der Begriff „Total Cost of Ownership“ – die Betrachtung der Kostenaspekte eines Produkts oder eines Vorgangs (Prozesses) über die deren gesamte Lebensdauer mit allen Aspekten von Anfang bis Ende, passt mit der Kostenrechnung überhaupt nicht zusammen. Dies kann gefährlich werden, wenn damit Cost-Center oder Profit-Center beschrieben und deren Performance mit daraus abgeleiteten Zahlen bewertet werden soll. Einer konventionellen Kostenrechnung kann dadurch sehr schnell viel zuviel zugemutet werden.

 

Die konventionelle Kostenrechnung kann in einfachen aber durchgängigen und transparenten Strukturen das Unternehmen abbilden. Vielfach reicht hierfür eine simple Vollkostenrechnung mit Plan‑Ist‑Vergleich völlig aus.

 

Dass die Gemeinkosten in die Kostenrechnung einbezogen werden müssen, zeigen bereits wert­analytische Methoden. Problem ist die Zuordnung zu Einzelvorgängen. Die Prozesskostenrechnung ebnet den Weg, die Lei­stungsverrechnung auch auf den Gemeinkostenbereich zu übertragen. Damit kann das Gemeinkostenmanagement methodisch erweitert werden. Es wird möglich, Kostenelemente im Gemeinkostenbereich verursachungsgerecht den wertschöpfenden Aktivitäten zuzuordnen.

 

Insbesondere gegenüber japanischen Unternehmen waren in der jüngeren Vergangenheit in der europäischen Industrie Kosten‑, Qualitäts‑ und Innovationsnachteile spürbar. Als Reaktionen verstärkten gerade Serienfertiger ihr Engagement bei kundenindividuellen Kleinserien beziehungsweise Einzellösungen und/oder produktbegleitenden Dienstleistungen. Damit sollten über kommunikative und logistische Vorteile internationale Mitbewerber abgewehrt werden. Die damit verbundenen Kleinserien oder die Einzelproduktion erfordert aber wesentlich mehr planende, vorbereitende und steuernde Tätigkeiten als die üblichen Standardlösungen. In Ergän­zung fertigungsspezifischer Herstellkosten nehmen somit "Komplexitätskosten" einen immer höheren Stellenwert in den betrieblichen Kostenstrukturen ein.

 

Die Prozesskostenrechnung im europäischen Kulturkreis konzentriert sich auf die verursachungsgerechte Verteilung der Gemeinkosten. Sie betrachtet die indirekten Bereiche. Die amerikanische Betrachtungsweise des Activity Based Costing konzentriert sich dagegen direkt auf die wertschöpfenden Anteile. Sie betrachtet und optimiert damit auch gleichzeitig direkte Wertschöpfung.

 

Meistens wird heute trotzdem noch kalkuliert wie zu Urväterzeiten: Herstellkosten plus Ge­meinkostenzuschläge. Das (wertvolle) Problemlösungs‑Know-how als entscheidender Erfolgsfaktor vieler Unternehmen wird als undifferenzierter Anhang der Herstellkosten betrachtet. Clevere Kunden erkennen so kalkulierende Lieferanten und decken sie mit Sonderproblemen ein. Denn gegenüber dem Standardprogramm fällt die Preisfindung bei Sonderlösungen günstiger aus. Die falsche Kalkulation führt zwangsläufig zu einem falschen Leistungsprogramm und somit zu Ertragseinbrüchen. Standardprodukte sind relativ gesehen teurer. Speziallösungen werden in diesem Umfeld zu billig kalkuliert.

 

Was kostet die Bearbeitung eines Kundenauftrags, ggf. differenziert nach Auftragstypen? Wovon sind die Kosten der internen Logistik abhängig? Was kostet eine Materialdisposition und/oder Bestellabwicklung. Wer (Kunde, Produkte, etc.) ist direkt und indirekt verantwortlich hierfür? Welche ko­stenbezogenen Konsequenzen hat die (subjektiv marginale) Änderung eines Standardartikels? Natürlich sind diese oder ähnliche Fragen nicht nur auf industrielle Unternehmen einzugrenzen. Gerade Dienstleistungsunternehmen haben besondere Probleme mit der Leistungskalkulation:

·  Im Bankenbereich: Was kostet die Eröffnung bzw. Verwaltung eines Gi­ro‑/Sparkontos? Was kostet die Verwaltung eines Wertpapierdepots;

·  Im Versicherungsbereich: Was kostet die Abwicklung eines Schadensfalles bei speziellen Sachversicherungsarten?

·  Im Gesundheitswesen: Was kostet eine spezifische Operation?

·  In der Wohnungswirtschaft: Was kostet die buchhalterische Verwaltung eines Mietvertrages? Sind Mietverträge hinsichtlich ihres internen Verwaltungsaufwandes unter­scheidbar und ist dieser Unterschied quantifizier‑ und bewertbar?

 

Die prozessorientierte Kostenrechnung hat den Ansatz, die im fertigungswirtschaftlichen Sinne nicht "technisierbaren" Vorgänge des betrieblichen Gemeinko­stenbereichs verursachungsgerecht einem „Produkt“ oder einem „Markt“ zuzuordnen. Insofern ist dies gegenüber der traditionellen Kostenrechnung kein revolutionärer Ansatz. Neu ist lediglich die Verknüpfung mit gemeinkostenwertanalytischen Methoden. Dabei werden aus Gemeinkosten quantifizierbare, bewertbare und produkt- oder marktbezogen zurechenbare Leistungen abgeleitet.

 

Die Auswirkungen der prozessorientierten Kostenrechnung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

·         Gemeinkosten werden planbar.

 

 

Durch Quantifizierung und Bewertung der bisherigen Gemeinkostenleistungen können diese besser geplant, ge­steuert und kontrolliert werden. Dies ermöglicht auch bessere Vergleiche mit anderen Unternehmen und/oder Unternehmensteilen. Produkt‑ oder marktbezogene Kalkulationen erhöhen die Entscheidungssicherheit für das betriebliche Leistungsprogramm. Statt kundenindividuelle Wünsche intuitiv anzunehmen oder abzulehnen, können die Kostenwirkungen einzelner Kundenaufträge sichtbar gemacht werden. Eventuell kann in Zusammenarbeit mit dem Kunden eine Produktänderung erreicht werden. Dadurch wird die eigene Kostensituation erheblich verbessert. Die Kosten für die Variantenvielfalt werden ermittelbar. Es kann wesentlich zuverlässiger kalkuliert werden; Sortimentsentscheidungen erhalten eine solide Informationsbasis.

 

Die Prozessostenrechnung relativiert die betrieblichen Gemeinkosten. Über die Kosten‑/Leistungsbeziehungen ergeben sich Hinweise auf Veränderungen der Kosten, der Leistungsmenge oder der Ablauforganisation. Die prozessorientierte Kostenrechnung aus­schließlich als Kalkulationsmethode zu sehen, ist nicht richtig. Sie gibt wesentlich mehr her.

 

Probleme in den Geschäftsprozessen werden frühzeitig erkannt. Vorgelagerte Aktivitäten verlangen unter Umständen suboptimale Lösungen bei nachgelagerten Aktivitäten. Da die prozessorientier­te Kostenrechnung alle Teilprozesse transparent macht, liefert sie die Voraussetzungen zur Optimierung des Gesamtprozesses.               

 

Die Beiträge der einzelnen Unternehmensbereiche im bisherigen Gemeinkostenbereich werden zahlenmäßig abrechenbar und damit zuordenbar. Es erfolgt eine Gutschrift an den wirklich leistenden Bereich der internen Dienstleistung mit direktem Bezug zur Gewinn/Aufwandsrechnung des betreffenden Produkts. Die interne Leistung wird dadurch gerechter abgerechnet.

 

Über diese "Deckungsrechnung", wird dem Unternehmen zudem monatlich die Auslastung bzw. Produktivität der Gemeinkostenbereiche aufgezeigt.     

 

 

3.4       Balanced Score Card als Indikator der Prozessleistung

 

Diese Methodik baut zwar auf den Finanzzahlen auf, nimmt jedoch weitere Kriterien in die Beurteilung von Status und Kurs des Unternehmens auf. Auf einer Seite werden die wesentlichen Kennzahlen für Management und Steuerung dargestellt.

 

Die Betrachtung der Finanzzahlen zeigt die Vergangenheit – Controlling ist wie Autofahren nur mit dem Blick in den Rückspiegel. Man sieht nur die Strecke, die hinter einem liegt. Fehlentwicklungen zeigen sich erst mit Verspätung mittel- und langfristig in den Finanzzahlen und eignen sich nicht als Frühindikatoren. Dies gilt vor allem für die nicht zahlenmäßig greifbaren Merkmale des Unternehmens (Kundenbindung, Produktpotenzial, Marktanteil, etc.). Kompensiert wird dies durch Ergänzung der drei Felder Kundenzufriedenheit und –bewertung, Wertschöpfungsprozesse bzw. Potenzial und Leistungsfähigkeit der internen Prozesse sowie Potenzial der Fähigkeit zur Weiterentwicklung, hier vor allem Mitarbeiterentwicklung.

 

Die BSC Balanced Score Card ist dabei das Instrument, das die Leistung einer Organisation als Gleichgewicht (Balance) zwischen den vier Perspektiven übersichtlich in einer Tabelle (Anzeigetafel, Score Card) darstellt. Die strategischen Ziele aus der Vision werden in konkrete, messbare, operative Maßnahmen heruntergebrochen und deren Fortschritt gemessen und dargestellt. Für die Perspektiven können Zielwerte vorgegeben werden, deren Zielerreichungsgrad den Fortschritt direkt darstellen. Aus dem Zusammenwirken der 4 Perspektiven gibt sich ein integrierter Ansatz mit Ausrichtung auf

 

Dies ist eine der DIN EN ISO 9001:2000 ähnliche Sichtweise, wobei mehr Wert auf die Bewertungssysteme gelegt wird. Über Kunden, Mitarbeiter und weiteren „interessierten Parteien“ (DIN) werden Quellen für Information, Performance und Verbesserungspotenzial in Prozessen und Organisation identifiziert.

 

 

Die 4 Perspektiven im Einzelnen:

 

1.      Finanzzahlen – die Finanzperspektive:

 

Die Finanzzahlen repräsentieren das Controlling wie bisher auch. Typische betrachtete Zahlenwerte sind in Unternehmen die Finanzkennzahlen der vergangenen Periode(n), die Gewinne / Verluste, die finanzielle Steigerung des Unternehmenswertes (Shareholder Value). Weiterhin können Wirtschaftlichkeit und Planzahlen (Wachstumsprognosen) betrachtet werden.

 

Die Auswahl der Finanzkennzahlen in der Balanced Score Card hängt von der Art des Unternehmens ab, den aktuellen Produkten, den Kernmärkten, etc. Sichtweise ist: Wie sieht unsere Leistungsfähigkeit in Zahlen aus.

 

Wird die Balanced Score Card für eine Funktion aufgestellt, sind die Perspektiven anzupassen. Beispiel Einkauf: Die Finanzkennzahlen können hier Einkaufsvolumen, durch Verhandlung erzielte Preisreduzierung, Währungseffekte, Lagerumschlagshäufigkeit bei Rohmaterialien, etc.

 

2.      Kundenperspektive – Ausrichtung auf den Kunden

 

Neben den Zufriedenheitswerten der aktuellen Kunden werden hier alle kundenbezogenen Anstrengungen betrachtet. Dazu gehören die Analyse der Kundenbedürfnisse, der Grad der Berücksichtigung dieser Wünsche, die Betrachtung der Maßnahmen zur Befriedigung der Kundenwünsche in den Geschäftsprozessen, die direkte Befragung des Kunden zu seiner Sicht, und die Darstellung in Zahlen.

 

Es wird hier die Sicht des externen Kunden dargestellt, wie dieser das Unternehmen sieht.

 

Die Ermittlung der Kundenzufriedenheit erfolgt durch Feedback in Form einer Kundenabfrage, z.B. Fragebogen, Telefoninterviews, persönliche Interviews. Dabei geht es nicht nur um die Fähigkeit des Unternehmens, derzeitige Kunden zu halten (Customer Retention). Aus der Kundenzufriedenheit wird abgeleitet, welche Chancen das Unternehmen hat, neue Kunden zu gewinnen. Dies betrifft dies Aspekte Bekanntheitsgrad, Empfehlungen durch Kunden, Erfahrungsaustausch.

 

Typische Kennzahlen für die Kundenperspektive sind Anzahl bzw. Prozentsatz der Kunden, die mit Pünktlichkeit, Qualität, Preis-/Leistungsfähigkeit zufrieden sind. Andere Zahlen drücken die Zufriedenheit mit Absprachen, Schnelligkeit der Mängelbehebung, Freundlichkeit der Kontaktpersonen aus. Weitere Möglichkeiten sind Marktanteil, Wachstumsrate im Marktsegment im Vergleich zur Konkurrenz oder zum Markt, Marktanteil bei Hauptkunden, Anteil Neukunden, Anteil verlorene Kunden.

 

Aus den Kundenbefragungen bzw. deren Details ergeben sich weiterhin Anregungen zur Verbesserung der Produkte und Prozesse. Dazu sind aus der Kundenzufriedenheit die Faktoren zu analysieren, welche die Umsätze der Produkte / Leistungen in Form von Qualität, Preis, Service, Mängel, etc. beeinflussen.

 

3.      Interne Prozesse – Ermittlung der Prozessleistungsfähigkeit

 

Sofern eingeführt, ist dies die Darstellung des Prozessmanagements. Die Zahlen des Prozesscontrollings sind hier gültig. Die wesentlichen Prozesskennzahlen sollten sich hier hierarchisch verdichten und die Prozessleistung darstellen. Über den darin enthaltenen Aufwand kann auch der Einfluss auf den finanziellen Erfolg dargestellt werden.

 

Für die realistische Darstellung von Prozesskennzahlen müssen allerdings mindestens die ersten Schritte des Prozessmanagements eingeführt sein. Die Kernprozesse müssen identifiziert und beschrieben sein. Die hauptsächlichen Messgrößen für die Steuerung dieser Prozesse müssen definiert und ermittelbar sein. Diese Kernprozesse müssen laufend überwacht, besser noch aufgrund der Messgrößen gesteuert werden.

 

4.      Wachstum und Lernen – das Potenzial des Unternehmens zu Innovation, Mitarbeiterentwicklung und Change Management

 

Hier geht es zunächst um die Fähigkeit des Unternehmens, die für das Überleben notwendigen neuen Produkte gem. Lebenszyklus zeitgerecht zu entwickeln und auf dem Markt einzuführen. Kennzahlen sind hier typischerweise Anteil neuer Produkte am Umsatz, Anzahl der (erfolgreichen) Markteinführungen, Anteil Neue Kunden (siehe auch 1.), aber auch die Entwicklung Umsatz / Mitarbeiter.

 

Nächster Fokus ist die Entwicklung der Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter. Diese sollen durch Schulung und Entwicklung in die Lage versetzt werden, das Managementsystem des Unternehmens zu leben und die Ziele des Unternehmens zu erreichen. Neben fachlichen Schulungen sind Trainings zur eigenen Entwicklung in dieser Perspektive. Kenngrößen sind hier Mitarbeiterzufriedenheit (Umfragen, Selbstbewertung nach DIN EN ISO 9001:2000, Personalentwicklungsgespräche, etc.), Managementqualität (Anteil Mitarbeiter zufrieden mit Managementsystem, Vorgesetzten, Unternehmenskultur, Entscheidungsfindung, Motivation), Informationsqualität, etc. Einfache Kenngrößen sind z.B. Anzahl Schulungstage pro Mitarbeiter. Ziel ist es, die Prozessperformance durch gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter zu steigern. Unterstützt wird dies durch verlässliche Informationen, passende EDV-Systeme und –Tools sowie ausreichende Ressourcenzuordnung.

 

 

 

 

3.5       Ermittlung der Prozessleistungsfähigkeit und des Prozessreifegrades

 

Für die Beurteilung der Qualität von Software wurde für die Softwareentwicklung ein Modell entwickelt, das einfach auf Prozesse übertragen werden kann. Dieses Modell auf Basis ISO TR 15504 SPICE Software Process Improvement Capability dEtermination wurde für die Belange des Prozessmanagements erweitert. Es wird die Prozessleistung als IST-Wert ermittelt. Daraus ergibt sich direkt eine Prozessleistungsfähigkeit mit ZIEL-Wert und Erfordernissen. Ableiten lässt sich daraus, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Prozessleistungsfähigkeit eingeleitet werden müssen und welcher Aufwand dafür notwendig sein wird. Weiter lässt sich darauf aufbauend der Weg zum Ziel ableiten.

 

Dazu wird ein Prozess in einem Prozess Assessment untersucht. Dieses Assessment führt zu einer Beurteilung der Prozessleistungsfähigkeit (Capability Level). Aufbauend auf dieser Prozessleistungsfähigkeit kann eine Prozessverbesserung (Process Improvement) eingeleitet werden. Außerdem ergeben sich die Angriffspunkte und die Risiken aus der Analyse der Prozessleistungsfähigkeit. Das Process Assessment führt damit über die ermittelten Punkte direkt zu einer Prozessverbesserung und weiter zu Prozessänderungen. Es bietet sich weiterhin an, die im Assessment ermittelten Best Practices auf andere Prozesse zu übertragen. Vorsicht vor dem NIH-Syndrom (Not Invented Here), das einer Übertragung von Best Practice Leistungen leider noch viel zu oft im Wege steht.

 

 

 

Das Modell arbeitet mit 5 Prozessreifegraden (Process Capability Levels), welches die Prozessleistungsfähigkeit widerspiegelt, siehe Abbildung.

 

 

 

Die Ermittlung des aktuellen Prozessreifegrades erfolgt durch die Analyse von Prozessmerkmalen. Ermittelt wird anhand von Fragetechniken, inwieweit diese Prozessmerkmale erfüllt sind. Dabei wird ein relativ grobes Raster von 4 Stufen angewandt:

 

Die Prozessmerkmale (Process Attributes PA1 bis 9) sind den Levels wie in der Abbildung dargestellt zugeordnet. Um einen Level im Prozessreifegrad zu erreichen, müssen die Prozessattribute der darunter liegenden Level vollständig erfüllt sein.

 

Es empfiehlt sich, Nachweise für die einzelnen Aspekte bei den jeweiligen Attributen einzufordern.

 


3.6       Fehlermöglichkeits- und –einflussanalyse in Prozessen

 

Die FMEA Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (engl. Failure Mode and Effect Analysis) wurde als Werkzeug des Qualitätsmanagements bereits in den sechziger Jahren entwickelt und hat sich seitdem - insbesondere in der Automobilindustrie - durchgesetzt, während man in klein- und mittelständigen Betrieben immer noch eine gewisse Skepsis gegenüber dieser Methode beobachten kann.

 

Analysiert man sämtliche Fehler während eines Produktentstehungsprozesses, erkennt man, dass ca. 80% aller Fehler aufgrund unzureichender Entwicklung, Konstruktion und Planung entstehen. Weiterhin kann erkannt werden, dass 60% aller Ausfälle innerhalb der Gewährleistung (im Sinne der Projektphase "Service / Betreuung") ihren Ursprung in fehlerhaften, unfertigen oder unreifen Entwicklungen haben.

 

Diesen Erkenntnissen tragen die wesentlichen Aufgaben und Ziele der FMEA Rechnung:

·         Ermitteln einer Risikorangfolge mittels einer Kennzahl: Risikoprioritätszahl,

·         Verbessern der Entwürfe durch Rückfluss von Erfahrungswerten ähnlicher Betrachtungseinheiten,

·         Verkürzen der Entwicklungszeit, Senken der Entwicklungskosten,

·         Vermeiden von Doppelarbeit und Verringerung von Änderungen nach Beginn der Serienfertigung

·         Senken der Blind- und Fehlleistung und

·         Beitrag zur Erfüllung unternehmenspolitischer Qualitätsziele.

 

Entsprechend der jeweiligen Entwicklungsphase wird zwischen Produkt-, Konstruktions- und Prozess-FMEA unterschieden.

 

Mit der Produkt-FMEA werden unter Berücksichtigung von Betriebszuständen und -bedingungen die Sicherheit und die Produktzuverlässigkeit sowie die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften überprüft. Das funktionsgerechte Zusammenwirken der Baugruppen und ihrer Verbindungen wird zur Vermeidung von Fehlern beim Systementwurf hinsichtlich der Risiken nach der Auslieferung untersucht. Als Grundlage hierfür dient z. B. das Pflichtenheft.

 

Die Konstruktions-FMEA untersucht die pflichtenheftgetreue Gestaltung und Auslegung der Einzelkomponenten zur Vermeidung von Entwicklungsfehlern und konstruktiv beeinflussbaren Prozessfehlern.

 

Die Prozess-FMEA untersucht schließlich die zeichnungsgerechte Fertigungsplanung (Prozessplanung) und -ausführung der Erzeugnisse / Komponenten zur Vermeidung von Planungs- und Fertigungsfehlern. Ziel ist, sicherzustellen, dass die Qualität des Endproduktes den Erwartungen des Kunden entspricht.

 

Diese Prozess-FMEA kann in analog für alle Prozesse angewandt werden. Für die Durchführung einer FMEA wird eine Strukturierung des Vorlaufes hinsichtlich Funktionen bei der Konstruktions-FMEA und der Prozesse bei der Prozess-FMEA vorgenommen. Der Ablauf einer FMEA ist wie folgt – benutzt wird ein FMEA Formblatt entsprechend DIN 25 44:

 

Nachdem ein Produkt oder ein Prozess zur Analyse ausgewählt wurde, können anhand der Formblätter folgende Zusammenhänge abgefragt werden:

·         Was sind die potentiellen Folgen für den Endbenutzer?

·         Was sind die potentiellen Ursachen?

·         Was sind die vorgesehenen Prüfmaßnahmen zur Entdeckung des Fehlers?

 

Das betrachtete System – sei es Produkt oder Prozess – besteht dabei aus einzelnen Elementen. Die Systemstruktur ordnet vom Produkt bzw. Prozess als oberster Ebene ausgehend die einzelnen Systemteile auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen an. Sofern Prozess oder Produkt Schnittstellen zwischen Systemelementen enthält, die für seine Funktion wichtig sind, werden diese in der Strukturanalyse dargestellt.

Die Prozess-FMEA beginnt mit dem Prozessoutput und dem übergeordneten Gesamtprozess und richtet dann bei Bedarf den Fokus auf Prozesselemente (Subprozesse, Aktivitäten) auf tieferen Ebenen. Dazu ist die detaillierte Prozessbeschreibung notwendig.

 

In der Prozess-FMEA wird dazu  jeder Prozessschritt / jeder Prozessoutput auf mögliche Fehler hin untersucht. Dies erfordert Kreativität! Empfehlenswert ist der Einsatz entsprechender Techniken. Die möglichen Folgen des potenziellen Fehlers werden abgeschätzt. Anschließend werden mögliche Fehlerursachen ermittelt. Dem potenziellen Fehler werden die vorgesehenen Prüfmaßnahmen gegenübergestellt.

 

Anschließend erfolgt die Bewertung mit jeweils 1 bis 10 Punkten je Faktor

  1. Bedeutung des  Fehlers

·         mit 1 Punkt für „Es ist unwahrscheinlich, dass der Fehler irgendeine wahrnehmbare Auswirkung auf des Verhalten des Prozesses (Produktes) für den Kunden haben könnte“

·         über z.B. 5 Punkte für mittelschwere Fehler mit „Der Kunde ist unzufrieden, fühlt sich durch den Fehler belästigt oder ist verärgert, er bemerkt Beeinträchtigungen des Systems“

·         bis 10 Punkte für äußerst schwerwiegende Fehler, die „Funktionsstörungen oder möglicherweise die Sicherheit und/oder die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften beeinträchtigt“.

  1. Wahrscheinlichkeit des Auftretens

·         mit 1 Punkt für „Unwahrscheinlich“

·         über z.B. 5 Punkte für „Gering“ mit „Prozess entspricht generell früheren Abläufe, bei denen gelegentlich, aber nicht in größerem Maße, Fehler auftraten“ oder „mit früheren Prozessen vergleichbar, die gelegentlich – jedoch nicht in wesentlichem Umfang – Fehler aufwiesen“

·         zu 10 Punkten für “Es ist nahezu sicher, dass Fehler in größerem Umfang auftreten“.

  1. Wahrscheinlichkeit des Entdeckens

·         mit 1 Punkt für „Hoch“ mit „Funktioneller Fehler, der bei den nachfolgenden Arbeitsgängen bemerkt wird, Wahrscheinlichkeit dafür >99,99%“

·         über z.B. 6 Punkten für „Gering“ mit „Leicht zu erkennendem Fehlermerkmal“

·         bis 10 Punkten für „Unwahrscheinlich“ mit „Das Merkmal wird nicht geprüft, bzw. kann nicht geprüft werden“ oder „Verdeckter Fehler, der im Prozess oder in den Folgeprozessen nicht erkannt werden kann“.

 

Aus dem Produkt der 3 Faktoren von jeweils 1 bis 10 ergibt sich eine RKZ Risikokennzahl oder RPZ Risikoprioritätszahl zwischen 1 und 1000, welche eindeutig das Produkt aus Bedeutung des Fehlers, der Wahrscheinlichkeit der Auftretens und der Wahrscheinlichkeit der Entdeckung angibt.

 

Daraus lassen sich empfohlene Abwehrmaßnahmen ableiten und priorisieren. Ebenso lässt sich genauso ein verbesserter Zustand nach Umsetzung der Abwehrmaßnahmen erneut ermitteln.

 

Die FMEA ist mit ihrem numerisch erfassbaren Ergebnis, der Risikoprioritätszahl als eine Qualitätskennzahl nicht nur ein Instrument zum Erkennen und Abstellen von Fehlern im Produkt bzw. Ablauf, sondern dient auch zur ständigen Verbesserung in der Entwicklungsphase des Produkts bzw. Prozesses.

 

Die richtige und damit auch wirkungsvolle Anwendung dieses Werkzeuges setzt allerdings voraus, dass der Moderator besonders geschult ist, alle im FMEA-Zirkel vertretenen Mitarbeiter über Ablauf, Sinn und Zweck der FMEA informiert sind und dass alle stets sachlich, objektiv und emotionsfrei bleiben. Streitereien wirken kontraproduktiv!

 

4         Gestalten und Managen von Geschäftsprozessen

 

Den typischen Ablauf eines Prozesses innerhalb einer funktionalen Organisation eines Unternehmens zeigt das folgende Bild.

 

 

Das heute meist problembehaftete Wirken der Funktionen im Prozess wird deutlich. Wer ist für den Kunden verantwortlich? Wer ist für welchen Prozessschritt verantwortlich – gegenüber dem Unternehmen, gegenüber dem Kunden? Wer koordiniert die Abfolge der Prozessschritte? Prozessschritte können Aktivitäten oder ganze Prozesse sein. Dies erhöht die Komplexität und die Unsicherheit.

 

4.1       Erkennen und Identifizieren von Prozessen

 

Der erste Schritt zur Prozessoptimierung ist die Identifizierung der betrieblichen Prozesse und die geeignete Beschreibung. Es bietet sich an, wenige Prozesse mit großem Verbesserungspotential auszuwählen. Weniger aber richtig ist besser als viel und falsch. Diese Prozesse müssen beschrieben werden, die aktuelle Performance muss gemessen werden, um einen Vergleich mit den später verbesserten Prozessen zu haben.

 

Prozesse sind in Unternehmen üblicherweise nicht oder nicht vollständig dokumentiert. Dies gilt besonders für funk­tionsübergreifende Prozesse. Mit der zunehmende Orientierung an die neuen Normen wie ISO 9001:2000, welche eine ausgeprägte Prozessorientierung fordern, bessert sich dies.

 

Zur reinen Beschreibung von Prozessen gibt es mehrere Methoden. Beispiele sind

 

Für komplexere Prozessdarstellungen ist leistungsfähige kommerzielle Soft­ware vorteilhaft.

 

Lineare Flussdiagramme – Flow Charts - sind einfach zu erstellen, ergeben jedoch über den reinen Ablauf hinaus keinerlei Informationen.

 

Flussdiagramme mit Zuordnung der Organisationseinheit – oder LOV-Charts = Line of Visibility / Rumbler-Diagramme mit direkter Darstellung der durchführenden Funktion – zeigen, welche Organisationseinheit mit welchem Prozessschritt befasst ist. Erweiterungen können durch Symbole für die Art der Kommunikation (Papier, Ware, elektronisch, etc.) sowie der Speicherplätze (Lager, Zwischenspeicher, Abholplätze, Wartezeiten) vorgenommen werden.

 

Flussdiagramme mit Input und Output Darstellungen stellen neben dem einfachen linearen Ablauf auch die jeweiligen Inputs und Outputs (Eingaben und Ausgaben) dar. Mischformen mit zusätzlicher Angabe der Verantwortlichkeiten und Dokumenten sind üblich.

 

Integrierte Prozessdarstellungen können mit einfachen Mitteln (Word Dokument, eine Seite für einen Teilprozess) bis hin zu komplexen Abläufen mit entsprechender Darstellung in geeigneter Software eingesetzt werden.

 

Netzpläne aus der Methodik des Projektmanagements zeigen Abhängigkeiten, sind jedoch für repetitive Aufgaben weniger geeignet.

 

Neben den Warenflüssen bzw. den Darstellungen der (Dienst-) Leistungserbringung sind die Flüsse von Daten, Informationen und Entscheidungen darstellbar.

 

Zur Beschreibung der zu optimierenden Prozesse eignet sich neben dem Flussdiagramm die Beziehungsdarstellung. Diese stellt die Wechselwirkungen im Unternehmen bzw. im betrachteten Prozess dar und konzentriert sich auf denjenigen Bereich, welcher mit dem zu optimierenden Prozess- oder Prozessteil in Berührung kommt. Die Beziehungsdarstellung beinhaltet folgende Informationen:

·  Die funktionalen Wechselwirkungen werden dargestellt

·  Der Umfang des Prozesses und seine Grenzen (Inputs, Outputs, Kunden, Lieferanten) werden aufgezeigt

·  Die in die Prozessoptimierung einzubeziehenden Funktionen können leicht herausgearbeitet werden. Damit können auch die Personen, welche zur Prozess-Optimierung beitragen können, identifiziert werden.

·  Zentrale und ungenügende Input-Output-Beziehungen werden entdeckt. Diese Beziehungen stehen oft im Zusammenhang mit den Prozessen, welche den CBI und die Schwach­stellen beeinflussen.

·  Die Beziehungsdarstellung stellt die Referenz für die organisatorische Umgestaltung des Prozesses und die betroffenen Funktionen dar.

Die Beziehungsdarstellung ist als Skizze oder als Diagramm darzustellen. Wichtig ist es, alle Funk­tionen aufzeigen, welche in den betrachteten Prozess eingebunden sind (Prozessgrenze).

 

4.2       Vorgehen zum Design von Prozessen

 

Die Vorgehensweise und die Schritte zum Design von Prozessen zeigt das nächste Bild. Je nach Art der Vorgehensweise, nach Grad der Umsetzung hat das Design von Prozessen Auswirkungen auf die funktionale Gliederung des Unternehmens. Die Einführung von neuen Prozessen oder von Prozessmanagement zieht meist Organisationsanpassungen nach sich.

 

 

 


4.3       Ausrichten von Prozessen auf den Kunden

 

Da der unternehmerische Erfolg stark von der Befriedigung der Kundenwünsche durch die Geschäftsprozesse des Unternehmens abhängt, bietet sich an, die Prozesse an den Kunden auszurichten und diese ggf. zu segmentieren. Prozesse werden damit für unterschiedliche Kundengruppen jeweils anders implementiert. Es kann so für die jeweilige Kundengruppe ein optimales Prozessdesign gefunden werden.

 

Es bietet sich z.B. an, die Prozesse nach der Komplexität und Schwierigkeit der behandelten Objekte zu strukturieren. Bei der Supply Chain – der Kundenauftragsabwicklung – sieht eine mögliche Segmentierung so aus:

 

Die Auftragsabwicklung für Routinefälle wird – da lauter gleichartige Vorgänge – weitestgehend automatisiert. Am Besten bietet man hier dem Prozesskunden eine Online-Lösung oder Automaten an. Beispiel im Bankwesen ist hierfür Online-Banking, welches die Betreuung von Konten für die Bank wesentlich verbilligt. Anderes Beispiel ist das Einkaufen von Büromaterialien aus einem elektronischen Katalog mit anschließender direkter Anlieferung an den Arbeitsplatz durch einen Service Provider. Weiterhin gehören dazu die Dienste von Logistics Service Providern für C-Teile in der Produktion. Die Kosten des Einzelvorgangs können dabei (Ausnahme Online-Banking) ruhig etwas höher sein. Es werden Kosten in der Prozesskette eingespart, besonders Personalkosten. Ziel ist es hier, Aufwand zu reduzieren, schnelle Reaktionszeiten zu bieten, die Transaktionen eigentlich so zu vereinfachen, dass diese vom Bedarfsträger selbst vorgenommen werden können.

 

Die Auftragsabwicklung der mittelschweren Fälle wird zur Domäne der bisherigen Auftragsabwickler, die bislang durch die Routinefälle in Anspruch genommen wurden, jetzt entlastet sind und hier ihre Fähigkeiten einbringen können. Dieser Prozess sollte zum Standardprozess erklärt werden und optimal auf die System- und Prozesskunden der mittelschweren Fälle ausgerichtet werden. Ziel ist es hier, die Ressourcen (Mitarbeiterfähigkeiten) optimal mit vertretbarem Aufwand zu nutzen, um optimale Kundenzufriedenheit zu erzeugen.

 

Die komplexen Fälle sind für die Spezialisten der Auftragsabwicklung. Sie erfordern hohe Flexibilität und hohes Können der Process Actors. Diese bewältigen hier einzigartige Einzelfälle. Hoher Aufwand wird allerdings durch hohe Kundenzufriedenheit belohnt und kann entsprechend in Rechnung gestellt werden.

 

Eine andere Segmentierung der Prozesse kann z.B. so erfolgen (Bank, Versicherung):

 

Die Ermittlung der Kundengruppen für eine Prozesssegmentierung kann z.B. gem. nachstehender Abbildung erfolgen.

 

Es bietet sich an, die Prozesse für die Standardkunden („C-Kunden“) soweit wie möglich auf minimalen Aufwand und Automatisierung zu trimmen. Geschickt ist es, hier ein optimiertes Beschwerdemanagement für Reklamationen zu installieren, um den Kunden zwar auf eine vereinfachte Abwicklung von Vorgängen zu bringen, ihm jedoch zu zeigen, dass er für das Unternehmen trotzdem wichtig ist. Hauptsächlicher Aspekt wird hier die Kosten pro Transaktion sein.

 

Für die Potenzialkunden („B2-Kunden“) richtet man bevorzugt Standardprozesse ein, die dem Kunden eine hohe Aufmerksamkeit des Unternehmens signalisieren, jedoch mit minimalem Aufwand laufen und nicht die gesamte Bandbreite der Dienstleistungen bieten. Dienstleistungen mit hohem Deckungsbeitrag werden angeboten, solche mit niedrigem Deckungsbeitrag nicht. Es bietet sich an, die Prozesse für die B1-Kunden hier einzusetzen, jedoch Abstriche und Vereinfachungen vorzunehmen. Ziel ist es, hier noch Geld abzuschöpfen, ohne den Kunden unnötigerweise frühzeitig zu vergraulen. Ein Abwandern eines Anteils der B2-Kunden wird bewusst in Kauf genommen.

 

 

 

Für die Wunschkunden („B1-Kunden“) wird die Prozesswelt optimal ausgerichtet. Diese Kunden zu gewinnen und zukünftig an das Unternehmen zu binden, ist das Zukunftsgeschäft. Hoher Servicelevel, Identifikation mit den Kundenwünschen ist das Ziel. Es reicht nicht aus, den Kunden zu befriedigen, sondern er muss erfreut werden. Nur damit ist eine Wachstumsstrategie umzusetzen.

 

Die Idealkunden „A-Kunden“ bilden das derzeitige Rückgrat des Unternehmens und bringen Umsatz sowie vor allem Gewinn. Hier gilt es, die auf die B1-Kunden ausgerichteten Prozesse optimal zu nutzen, um diese A-Kunden zufrieden zu stellen. Darüber hinaus sind Kundenbindungsprogramme aufzusetzen, z.B. Key Account Management, Rabattprogramme, besondere Dienstleistungen, besonderen Privilegien, Zugang zu geschützten Datenbereichen, etc.

 

Diese über die Kundensegmentierung gestützte Prozessentwicklung ermöglicht es dem Unternehmen, alle 4 Kundengruppen im Rahmen der Strategie und der Möglichkeiten mit einem optimalen Kosten-/Nutzenverhältnis zu bedienen und sich trotzdem zukunftsorientiert aufzustellen.

4.4       Einrichten und Optimieren des Managementsystems nach ISO 9001:2000

 

Da Geschäftsprozesse das operative und steuernde Rückgrat des Unternehmens bilden, kann die Optimierung der Prozesse auch über die Errichtung und Optimierung des Managementsystems des Unternehmens erfolgen.

 

Vorteile eines Managementsystems:

 

·         Zielorientierte Steuerung des Unternehmens durch eine messbare Unternehmens- und Qualitätspolitik, welche auf die Bedürfnisse der „interessierten Parteien“ abgestimmt ist.

·         Konzentration auf die wertschöpfenden Prozesse, Etablierung dieser Prozesse als Kernprozesse, Setzen von Prioritäten. Durch Ausrichtung aller Unternehmensbereiche auf die Kernprozesse wird die Leistungsfähigkeit für die Befriedigung der Kundenanforderungen erhöht, es wird Aufwand minimiert und es werden Zielkonflikte vermieden.

·         Bessere Nutzung der Ressourcen führt zu höherer Produktivität, weiterhin geringere Kosten durch Reduzierung von Fehlleistungen wie Ausschuss, Reklamationen, unnötige Rückrufe, Nacharbeit, etc.

·         Risikominimierung – da die Kernprozesse und deren Messgrößen und Einflussfaktoren bekannt sind und zur Steuerung verwendet werden. Fehlentwicklungen können erkannt werden, sie können verhindert bzw. entschärft werden, effektive Gegensteuerung ist möglich.

·         Drastische Reduktion von Cost of Non Quality, da nicht nur aufgetretene Fehler selbst behoben werden (Korrekturmaßnahmen), sondern in der Analyse auch die Ursache ermittelt wird und damit weitere gleichartige Fehler ausgeschlossen werden. Ebenso können mit diesem Instrument Vorbeugungsmaßnahmen und Verbesserungen gesteuert werden.

·         Erhöhung der Flexibilität – die Prozessmodelle erlauben Simulationen, mit denen die Auswirkungen von möglichen strategischen Entscheidungen vorweggenommen werden können. Vorteil ist die Möglichkeit, das gesamte System zu analysieren und nicht nur einzelne Funktionen.

·         Klare Informationsflüsse und verbessertes Wissensmanagement. Durch die Darstellung der Abläufe wird bisheriges Insiderwissen der Process Actors dokumentiert und zugänglich.

·         Detaillierte Informationen über Kunden stehen zur Verfügung. Die Kundenwünsche werden ermittelt, seine Zufriedenheit abgefragt. Es wird transparent, welchem Kunden welche Leistung bzw. welches Produkt in welcher Form und in welcher Qualität in welcher Zeit angeboten werden kann, um ihn optimal zufrieden zu stellen. Das erworbene Wissen kann genutzt werden, um neue Kunden zu erreichen.

 

 

Ein sehr strukturiertes Vorgehen ist die Umsetzung – bzw. Auditierung und Zertifizierung – eines (Qualitäts-) Managementsystems nach DIN EN ISO 9001:2000. Dieses hat die Grundsätze:

1.      Kundenorientierung

2.      Führung

3.      Einbeziehung der Personen (Mitarbeiter etc.)

4.      Prozessorientierter Ansatz

5.      Systemorientierter Managementansatz

6.      Ständige Verbesserung

7.      Sachbezogener Ansatz zur Entscheidungsfindung

8.      Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen.

 

Im Einzelnen:

1.      Kundenorientierung – Unternehmen sollen die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse der Kunden verstehen, ihre Anforderungen erfüllen und danach streben, diese Erwartungen zu übertreffen.

2.      Führung – das Management sorgt dafür, dass Zweck und Ausrichtung der Organisation übereinstimmen. Es schafft und erhält ein internes Umfeld, in dem Mitarbeiter sich voll für das Erreichen der Ziele der Organisation einsetzen können.

3.      Einbeziehung der Personen – Mitarbeiter aller hierarchischen Ebenen sind das Rückgrat und die wichtigste Ressource einer Organisation. Die Mitarbeiter sind vollständig einzubinden, um ihre Fähigkeiten zum Vorteil der Organisation einzusetzen.

4.      Prozessorientierter Ansatz – Ergebnisse werden effizienter erreicht, wenn die beteiligten Ressourcen und Aktivitäten als Prozess aufgesetzt und geleitet werden.

5.      Systemorientierter Managementansatz – die Wirksamkeit und die Effizienz einer Organisation bei der Zielerreichung können verbessert werden, indem das Unternehmen als System zusammenwirkender und zusammenhängender Prozesse gesehen wird. Identifizieren, Verständnis und Management dieser Zusammenhänge sind deshalb wichtiger Teilaspekt jeder Unternehmensbetrachtung.

6.      Ständige Verbesserung – dies soll dauerhaftes Ziel jeder Organisation sein, um das Erreichte zu sichern, die Leistungsfähigkeit weiter zu steigern und sich laufend an Änderungen der Umgebung anzupassen.

7.      Sachbezogener Ansatz zur Entscheidungsfindung – wirksame Entscheidungen werden auf der Basis von sachlicher Analyse von Daten und Informationen getroffen.

8.      Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen – jede Organisation und ihre Lieferanten sind voneinander abhängig. Für beide Seiten vorteilhafte Beziehungen, die zudem langfristig angelegt sind, steigern die Fähigkeiten beider Seiten, Wertschöpfung zu generieren. 

 

Das Prozessmodell nach DIN EN ISO 9001:2000 zeigt die folgende Abbildung:

 

 

Die Gründe, warum ein Unternehmen oder eine Funktion bzw. Einheit sich nach DIN EN ISO 9001:2000 zertifizieren lassen sollte, können sein:

·         Bewertung des Managementsystems durch einen unabhängigen, externen Auditor

·         Erkennen von Stärken und Verbesserungspotenzialen in allen Gebieten

·         Identifizierung von Kernprozessen

·         Analyse der geschäftsentscheidenden Prozesse durch Experten aus der Praxis

·         Ermittlung von Kunden- und Lieferantensicht

·         Aufzeigen neuer Perspektiven

·         Erfüllen von Forderungen von Kunden (Zertifikat).

 

Das Vorgehen zur Auditierung und zur Zertifizierung des Managementsystems nach DIN EN ISO 9001:2000 erläutert die nächste Abbildung:

 

 

5         Optimieren von Geschäftsprozessen

 

Wesentlich für die Umsetzung von Prozessoptimierungen sind kritische Erfolgsfaktoren. Wirksame Prozessoptimierungen werden durch kritische Erfolgsfaktoren (Critical Business Issues, CBI) gesteuert. Diese CBIs können auch als erkannte Schwachpunkte gesehen werden, die wirklich weh tun und die Verbesserungspotenzial darstellen. Es ist wichtig, den Zusammenhang zwischen dem CBI und dem zu optimierenden Prozess klarzustellen, damit die Optimierung einen merklich positiven Einfluss auf den CBI hat.

 

Sobald Prozessoptimierungen über einen abgeschlossenen Bereich hinausgehen, eine Verantwortungsbereich überschreiben, oder Organisationsfragen aufwerfen, sind kritische Erfolgsfaktoren unerlässlich.

 

Beispiele für CBIs:

·  Bestehende Differenzen zwischen der eigenen Leistung und den Leistungen der Mitbewerber oder den Kundenerwartungen

·  Unzureichende Position im Wettbewerb

·  Erkannte, existenzgefährdende Schwächen des Unternehmens

·  Zu erwartende Differenzen zwischen eigenen Leistungen und Kundenerwartungen

·  Eine Gelegenheit, Wettbewerbsvorteile zu schaffen oder auszubauen.

 

Möglichkeiten für die Identifizierung von CBIs:

·  Kundenbefragungen / Zielgruppenumfragen und Reklamationen

·  Konkurrenzanalysen

·  Leistungsvergleich mit ,,best-in-class" oder ,,best-in-world" über Benchmarking

·  Nichterreichen von finanziellen Zielsetzungen, Qualitäts- oder Produktivitätszielen

·  Ableitung aus Unternehmenszielen / Budget / Geschäftsplan

·  Technologische Entwicklung oder Erfindungen.

 

Es gelten die Grundregeln:

·  ,,Keine Differenz (Delta) zwischen IST und SOLL  --> kein CBI"

·  ,,Kein Leidensdruck  --> kein CBI"

·  ,,Keine Unterstützung durch das Management  --> kein CBl".

 

Ohne Delta, Leidensdruck und Unterstützung durch das Management macht Re-engineering keinen Sinn.

 

 

 

 

Für die Umsetzung der Verbesserung bzw. Neugestaltung von Geschäftsprozessen gibt es mehrere Vorgehensweisen. Unabhängig davon, welches Konzept gewählt und verfolgt wird, sind einige Fußangeln zu beachten. Wesentliche Problembereiche, die jede Prozessverbesserung stark gefährden:

 

Das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung wird am ehesten durch KAIZEN erreicht. Getragen von der Unternehmensbasis – den Mitarbeitern – werden laufende Qualitätsverbesserungen funktionsübergreifend umgesetzt. KAIZEN vereint verschiedene Ansätze unter einem gemeinsamen Schirm. Das Unternehmen wird ganzheitlich betrachtet. Es herrscht das Evolutionsprinzip. Die Verbesserungen werden in kleinen Schritten laufend umgesetzt. Das Konzept ist langfristig angelegt, große Änderungen in kurzer Zeit sind damit nicht zu erreichen.

 

KAIZEN kommt aus dem japanischen Kulturkreis mit seiner ausgeprägten Fluss- und Prozessorientierung. Zielrichtung ist die Prozessoptimierung, welche  gem. der japanischen Mentalität kontinuierlich, d.h. laufend und in jeweils kleinen Schrit­ten vorgenommen werden soll und auf dem Bestehenden aufbaut. Erreichte Verbesserungen sollen in Zukunft beibehalten werden. Rückfall ist zu vermeiden. Treibende Kräfte sind dabei die Mitarbeiter auf der Arbeitsebene selbst. Diese kennen die Probleme in Ihrem Arbeitsbereich am Besten.

 

Geschäftsprozessoptimierung wird dagegen eher vom mittleren Management gesteuert und umgesetzt. Das Bestehende wird in größeren Schritten verbessert, „transformiert“, Schwachstellen werden ausgemerzt. Zentraler Au­sgangspunkt jeder Prozessoptimierung ist die Durchführung von systematischen Prozessanalysen. Dies gilt vor allem in den administrativen und Gemeinkostenbereichen. Diese Analysen erfordern klar struk­turiertes Vorgehen und detailliertes Wis­sen über Wesen und Elemente von Prozessen. Über Schwachstellenanalysen werden Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet. Prozesse werden durch Prozessoptimierung und Prozessmanagement auf "sanfte" Art gestaltet. Bestehende Prozesse werden vom Ist-Zustand ausgehend in kleinen Schritten verbessert und opti­miert, ähnlich Vorgehen bei "KAIZEN".

 

In Prozess Re-engineering, auch als Prozess Redesign bezeichnet, herrscht die Grundhaltung vor, Prozesse radikal neu zu gestalten. Das Bestehende wird grundsätzlich in Frage gestellt. Prozess Re-en­gineering wird in großen Schrit­ten mit großen Änderungen durchgeführt. Aufbauend auf der Prozessanalyse wer­den die Prozesse optimiert bzw. neu aufgesetzt. Es wird gerne mit der "Grü­ne Wiese" Methode verbunden: Wenn wir unser Unternehmen völlig neu auf der grünen Wiese bauen wür­den, wie wür­den wir dann unsere Prozesse gestalten? Dieses Konzept des Prozess Re-en­gineering zielt auf die strukturelle Neuorganisation betrieblicher Prozesse. Deren Struk­tur wird verändert. Die bestehenden Prozesse werden als ohnehin un­brauchbar be­trachtet ("All is bad") und interessieren nicht. Die neuen, notwendigen Pro­zesse werden radikal, fundamental und drastisch angegangen und zur Einführung getrieben.

 

Die Unterschiede in der Vorgehensweise zwischen Prozessoptimierung und Prozess Re-engineering zeigen die beiden folgenden Abbildungen.

 

 


6         Prozessorganisation und Prozessmanagement

 

Im radikalen Prozess Re-engineering wird die bisherige Organisation aufgelöst bzw. drastisch geändert. Aber auch in der Prozessoptimierung können sich Anforderungen an eine stärkere Prozessorientierung der funktionalen Organisation ergeben. Möglich sind deshalb alle denkbaren Zwischenzustände in der Organisation – von einfachen Teams, Projektteams, multifunktionalen Teams (zusammengesetzt aus Vertretern unterschiedlicher Unternehmensfunktionen) – bis hin zur reinen Prozessorganisationen.

 

Es ergeben sich neue Rollen und Aufgabenverteilungen. Im Extremfall ersetzt eine Person meh­rere Mitarbeiter aus verschiedenen bisherigen Funktionen und bildet einen so­genannte Case Worker. Diese Person arbeitet für einen Geschäftsfall (Case) alle Schritte eines Prozesses ei­genverantwortlich ab. Zur Erledigung des Volumens müssen mehrere Case Worker eingesetzt werden. Die bisherigen Grup­penleiter geben einen Teil ihrer Verantwortung (für die Arbeitsorganisation) ab und sind zukünftig für die Prozessgestaltung (Prozess Owner) und für das Ressourcen Management (Resource Owner) zuständig.

 

Als Zwischenstufe bzw. Ersatz eines Case Workers ist eine Team­organisation möglich. In jedem Team sind Mitglieder aus den früheren Funktionen integriert und arbeiten gemeinsam eigenverantwortlich wie ein Case Worker. Dazu müssen die Linienfunktionen – und deren Verantwortliche und Leiter – Kompetenz und Entscheidungsbefugnis an die Teammitglieder bzw. Case Worker abgeben.

 

Diese Änderungen haben auf die Organisation und auf die Anforderungen an die Mitarbeiter große Auswirkungen. Neben der Übernahme von Verantwortung von ihren bisherigen Gruppenleitern für die Arbeitsorganisation und für das aktuelle Tun ist vor allem Flexibilität ge­fragt. Die Arbeit in wechselnden Teams wird Standard. Jeder hat plötzlich mehrere "Chefs" - neben disziplinarischen Vorgesetzten existieren jetzt fachliche Vorgesetzte bzw. - um es in der Kunden-Lieferanten Beziehung auszudrücken - es gibt jetzt vorher fremde Bereiche, für die eine Dienstleistung - die eigene Arbeit - erbracht wird.

 

Da es weniger Arbeitsinhalte zu integrieren gibt und die Überwachungsfunktion verschwindet, ändert sich auch die Rolle der Manager. Der "Chef" wird zum Mentor, welcher Ressourcen bereitzustellen hat, Fragen beantworten muss und sich um die langfristige Karriereplanung seiner Mitarbeiter zu kümmern hat. Hier sind auch die größten Widerstände gegen Prozess Re-engineering zu erwarten. Die Vertreter des bisherigen mittleren Managements haben durch Re-engineering am meisten zu verlieren, da sie ihre bisherigen Karrieren und Erfolge auf den traditionellen Arbeitsweisen aufgebaut haben.

 

 

Je stärker eine Organisation prozessorientiert ausgerichtet wird, umso wichtiger wird Prozessmanagement. Dieses ist die Durchführung von Aktionen, welche sicherstellen, dass ein Prozess kontinuierlich beobachtet und verbessert wird. Prozessmanagement ist Qualitätsmanagement, vergl. auch DIN EN ISO 9001:2000. Der identifizierte und beschriebene Prozess muss unter eine Verantwortung gestellt werden, ein Prozess Owner ist zu identifizieren und zu verpflichten.

 

Aufgabenstellung des Prozess Owners ist hierbei:

·  Gestaltung der Abläufe

·  Festsetzen der Leistungsfähigkeit des Prozesses als Zielgröße

·  Festlegen von Messgrößen zur Beurteilung der Prozesse – Prozessperformance und Prozessstabilität

·  Veranlassung der Schulung der Mitarbeiter

·  Kontrolle und Nachsorge

·  Organisation des Zusammenwirkens seines Prozesses mit den anderen Geschäftsprozessen im Unternehmen.

 

Im Einzelnen:

  1. Prozessgestaltung und -beschreibung

·         Methodik

·         Dokumentation, Darstellung und Veröffentlichung

·         Schulung und Training

2.      Prozessweiterentwicklung

·         Prozessübergreifende Abstimmung

·         Koordination Anforderungen an IT, Tools, Anforderung an Systeme

·         Anpassungen an sich ändernde Umweltbedingungen

  1. Messungen und Auswertungen

·         Prozessqualität

·         Prozessstabilität

·         Prozessperformance

·         Process Capability Level

·         KPIs Key Performance Indicators

·         CSIs Customer Satisfaction Indices

 

Im Einzelfall kann eine Verantwortung für die eingesetzten Mitarbeiter im Sinne von Res­sourcenmanagement (Auslastung, Ausgleich) dazu kommen.

 

Damit ändert sich die Ausrichtung der Organisation, siehe nachstehende Abbildung. Die vertikale Struktur wird auf die horizontalen Prozesse gedreht.

 

 

Prozessmanagement entwickelt sich damit zur Anwendung von strukturierten Methoden, um

 

Grundlagen des Prozessmanagements sind

 

Ideal ist es, Prozessmanagement mit Prozess Re-engineering und Prozessoptimierung zu verbinden. Hier muss allerdings von der reinen Lehre des Prozess Re-engineering abgewichen werden. Für die drastischen Änderungen sind die Beteiligten einzubinden. Dieses erfordert professionelle Moderation und exzellente Führung sowie starke und ausdauernde Sponsorship in der Umsetzung.

 

 

 

 

 

 


7         Literaturverzeichnis

 

In diesem Verzeichnis sind interessante Quellen zu finden, die sich mit dem Themenkreis Prozess beschäftigen.

 

 

Autor

Titel

[1]

Agyris, C.

Organizational Learning

Blackwell Business 1992

[2]

Andrews, D.; Stalick, S.

Business Reengineering

-    The Survival Guide

Prentice Hall, 1994

[3]

Becker, J.; Kugeler, M.; Rosemann, M.

Prozessmanagement – Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung, Springer Verlag, 2003

[4]

Brütsch, D.; Hieber, R.

Optimierung von Logistiknetzwerken

IO Management Zeitschrift Nr. 3 1998

Seite 106 – 109

[5]

Copeland, T; Koller, T.; Murrin, J. (McKinsey & Company, Inc.)

Unternehmenswert

-    Methoden und Strategien für eine wertorientierte Unternehmensführung

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